Eine digitale Willkommensplattform in Berlin?

Wir haben Neuzugewanderte gefragt!

Maëlle Dubois, März 2025

Wer neu in eine Großstadt wie Berlin zieht, steht vor vielen Herausforderungen. Wohnungssuche, Behördengänge, Jobsuche – all das kann überwältigend sein. Digitale Informationsangebote und Online-Dienste sollen dabei helfen, sich schnell und einfach über das Handy zurecht zu finden. Doch sind diese Angebote wirklich so zugänglich und nützlich, wie sie sein sollten?

Genau hier setzt das Projekt Partizipation Digital an. Gemeinsam mit der Berliner Integrationsbeauftragten und dem Willkommenszentrum Berlin entwickeln wir im Sinne eines „Digitalen Willkommenszentrums Berlin” eine digitale Informations-, Orientierungs- und Verweisplattform, welche Neuberliner*innen den Start in Berlin so leicht wie möglich machen soll.

Um zu verstehen, welche Erfahrungen Neuberliner*innen mit digitalen Angeboten machen, haben wir eine Online-Umfrage durchgeführt. Wir wollten wissen: Wie kann das Digitale Willkommenszentrum den Bedarfen von Neuzugewanderten gerecht werden? Welche Informationen werden gebraucht und welche digitalen Funktionen sind hilfreich? Die Umfrage lief ein Monat (Oktober 2024) und teilgenommen haben 670 (Neu)Berliner*innen. Hier präsentieren wir die wichtigsten Erkenntnisse dieser Befragung.

Was brauchen die Nutzenden?

Zusammengefasst wünschen sich die Befragten eine zentrale, mehrsprachige und nutzungsfreundliche Plattform mit einer intuitiven Struktur und verständlichen Informationen, um bürokratische Prozesse besser zu verstehen und leichter navigieren zu können.

Unterstützung bei bürokratischen Prozessen

Nach ihren bisherigen Erfahrungen gefragt, antworten die Umfrageteilnehmenden, dass sie trotz zahlreicher digitaler Angebote auf erhebliche Hürden bei der Nutzung von Webseiten öffentlicher Institutionen stoßen. Besonders frustrierend sind unklare Informationen, die unübersichtliche Navigation und veraltete Designs. So schreibt eine befragte Person: „Berliner Verwaltungsseiten sind […]– schlecht gestaltet, unattraktiv, Informationen werden einfach ohne Struktur abgeladen.“ Ein großes Bedürfnis besteht nach einer zentralen Plattform, die verständlich und gebündelt alle wichtigen Informationen bereitstellt, um bürokratische Prozesse transparenter und zugänglicher zu machen.

Dass bürokratische Verfahren ein zentraler Schmerzpunkt in Ankommensprozessen sind, bestätigt die Bewertung der Informationsbedarfe (siehe Abbildung unten). Nur das Thema Wohnen wird als wichtiger eingestuft, was angesichts der Mietsituation in Berlin kaum verwunderlich ist. Besonders bemerkenswert ist, dass bürokratische Verfahren für alle Gruppen ein zentrales Thema ist: Eine Auswertung nach soziodemografischen Merkmalen zeigt hierbei wenig Abweichung. Nur das Thema Gesundheitsversorgung wird zum Beispiel bei nicht-männlichen Befragten höher bewertet.

Auch die von Befragten gewünschten Online-Features zeigen, dass die Unterstützung bei bürokratischen Prozessen ein zentrales Anliegen ist: Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Online-Anträge, Formularausfüllhilfen oder Checklisten für Unterlagen gehören zu den Top-Features. An erster Stelle stehen aber Online-Terminbuchungssysteme, die sich sowohl auf Behörden als auch auf Beratungsstellen beziehen können.

Mehrsprachigkeit und einfache Sprache

Zudem fehlt es an mehrsprachiger Unterstützung, wodurch viele auf unsichere Drittanbieter-Übersetzungen angewiesen sind. Zu den am meisten gewünschten Online-Features zählen vor allem solche, die auf sprachliche Barrieren hinweisen. Gewünscht werden sowohl mehrsprachige Informationen und Funktionen (wie Formular-Ausfüllhilfen und Glossare), als auch leicht verständliche Texte. Dazu schreibt eine befragte Person: „Staatliche und städtische Webseiten sind voller unnötiger und überladener Informationen sowie bürokratischer Sprache, die extrem schwer zu verstehen ist.“

Wie wichtig es ist, diese sprachlichen Hürden zu überwinden, zeigen weitere Umfrage-Ergebnisse. So gaben fast alle Befragten an, Englisch (größtenteils als Zweit- oder Drittsprache) zu sprechen. Deutsch wurde zwar als zweithäufigste Sprache genannt, jedoch nur halb so oft wie Englisch. Insgesamt wurden knapp 60 unterschiedliche Sprachen genannt. Daraus lässt sich ableiten, dass eine gute und konsistente englische Übersetzung unerlässlich ist wenn es darum geht, Informationen und Dienstleistungen für Neuzugewanderte anzubieten. Um digitale Angebote inklusiv zu gestalten, ist es wichtig, Übersetzungen in den häufigsten Sprachen anzubieten.

Wir fragten die Teilnehmenden auch, wie gut ihre Deutschkenntnisse sind. Interessant ist hier vor allem die Anzahl an Personen mit Sprachniveau B1 (Mittelstufe), da dies ungefähr dem Konzept der einfachen Sprache entspricht und Voraussetzung für eine Einbürgerung ist. Ein Viertel der Befragten gab B1-Deutschkenntnisse an. Über ein Drittel der Befragten gab an, geringere (A1 oder A2) oder gar keine Deutschkenntnisse zu haben, weitere 40% gaben höhere Deutschkenntnisse (B2 bis C2) an.

Auch wenn die Daten darauf hinweisen, dass das Deutschniveau mit steigender Aufenthaltsdauer zunimmt, wird ebenfalls deutlich, dass auch für Personen, die seit längerer Zeit in Berlin leben, Sprache weiterhin eine signifikante Zugangsbarriere darstellt. Dies spricht dafür, dass alle digitalen Informationsangebote von Behörden in einfacher Sprache angeboten werden sollten, um sprachliche Barrieren für alle Nutzenden zu senken.

Angesichts der Tatsache, dass die Texte von offiziellen Behördenwebseiten besonders komplex formuliert sind (siehe dazu die Studie vom H&H Communication Lab 2024), liegt hier eine wichtige Stellschraube.

Wer sind die Befragten?

Anhand der soziodemografischen Daten der Teilnehmenden zeigt sich, dass knapp zwei Drittel der Befragten seit weniger als 6 Jahren in Berlin leben, also relativ neu zugewandert sind. Die überwältigende Mehrheit der Befragten ist zwischen 25 und 44 Jahre alt. Verglichen mit der offiziellen bundesweiten Statistik von Destatis ist unsere Stichprobe etwas älter, als die 2023 nach Deutschland zugewanderten Menschen, wobei vor allem 18- bis 24-Jährige unterrepräsentiert sind. Die Geschlechterverteilung der Befragten ist relativ ausgewogen. Damit sind männliche Zugewanderte im Vergleich zur offiziellen Statistik unterrepräsentiert.

Kontakt:

Maëlle Dubois
m.dubois@minor-kontor.de

Diese Publikation wurde im Rahmen des Projektes Partizipation Digital veröffentlicht.

Das Projekt wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union kofinanziert.

Das Projekt wird umgesetzt in Partnerschaft mit der Beauftragten des Berliner Senats für Partizipation, Integration und Migration.