Digitale Angebote partizipativ (weiter)entwickeln

Akteur*innen im Dialog mit neuzugewanderten Frauen

Akteur*innen, die sich auf den direkten Dialog mit neuzugewanderten Frauen einlassen, indem sie diese als Expertinnen ihrer eigenen Lebenssituation in die (Weiter)Entwicklung und Verbesserung ihrer Angebote einbeziehen, gewinnen eine einzigartige Perspektive hinsichtlich der Wirkung auf ihre Nutzerinnen:

Wir erfahren darüber, wie Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern unsere Angebote sehen und was sie daran interessant finden. Es war für uns eine Bereicherung, da es eine Perspektive ist, die wir sonst nicht immer mitdenken können.“

Hasan Tabanaj von der Berliner unabhängigen Beschwerdestelle im Gespräch mit Maria Consuelo González Toro

„Unsere Öffentlichkeitsarbeit richtet sich an unterschiedliche Zielgruppen – einen Großteil machen dabei zugewanderte Frauen aus. Insofern war das Feedback aus der Mitte dieser Zielgruppe für uns mehr als bereichernd.“

Rudaba Badakhshi und Najima El Hadouchi von DaMigra e.V. im Gespräch mit Candela Villalonga

Von Vorteil ist hierbei, dass die Nutzerinnen der Angebote zumeist nicht über Kenntnisse interner Institutions- bzw. Organisationsstrukturen und -logiken verfügen. Stattdessen bringen sie eine wertvolle Außensicht ein, die es ihnen ermöglicht, konkrete Rückmeldungen und Empfehlungen basierend auf Erfahrungen bei der Nutzung der jeweiligen Angebote zu geben. Im Ergebnis entstehen passgenaue digitale Angebote, wie Carmín Ríos Fukelman schildert:

„Als Expertinnen können neu zugewanderte Frauen ihre Bedürfnisse, Wünsche und Anliegen in die Entwicklung neuer digitaler Angebote einfließen lassen. Dies ermöglicht, dass die digitalen Angebote besser auf sie zugeschnitten sind und ihre Anforderungen erfüllen. Auf diese Weise profitieren beide Parteien von einem Dialog: Die Anbieter erhalten konkrete und direkte Beratung und Feedback aus der Perspektive der Zielgruppe. Neuzugewanderte Frauen werden damit zu relevanten Akteurinnen im Bereich digitaler Informations- und Beratungsangebote.  Sie identifizieren zielgruppengerechte Informationen und verbessern deren Qualität und Zugänglichkeit, sodass andere Frauen diese Angebote in Zukunft leichter nutzen können.“

Carmín Ríos Fukelman

Damit dies gelingt und beide Seiten ihre Expertise einbringen sowie neue Erkenntnisse gewinnen können, sollten einige Faktoren beachtet werden, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

Zugang zur Community

Je nachdem, an welche Community sich die Angebote richten, sollte im Vorfeld recherchiert werden, wie und wo diese am besten erreicht und hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit angesprochen werden kann.

  • Einen niedrigschwelligen Zugang zu den Communities neuzugewanderter Frauen bieten soziale Medien, z. B. muttersprachliche Facebook-Gruppen.
  • Genutzt werden können zudem trägereigene und/oder -externe Angebote und Strukturen, um z. B. (ehemalige) Seminarteilnehmerinnen für eine Zusammenarbeit zu akquirieren.
  • Die Ansprache sollte dabei nach Möglichkeit in den jeweiligen Muttersprachen erfolgen.

Voraussetzungen

  • Die Aktivitäten sollten sprachlich auf die Möglichkeiten der am Dialog Teilnehmenden zugeschnitten sein, d. h. sie sollten sich in einer ihnen verständlichen Sprache beteiligen können.
  • Der zeitliche Rahmen der Aktivitäten sollte klar kommuniziert und dabei nach Möglichkeit flexibel an die Ressourcen der Teilnehmenden angepasst werden.
  • Für die Zusammenarbeit sollten angemessene zeitliche und personelle (sowie evtl. räumliche) Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
  • Für die Organisation des Beteiligungsprozesses sowie für mögliche Nachfragen sollte seitens der Anbieter*innen eine feste Ansprechperson benannt werden.
  • Für die regelmäßige Kommunikation mit den Teilnehmenden sollte ein geeignetes Medium gewählt werden, welches die diesbezüglichen Bedarfe berücksichtigt, z. B. eine WhatsApp-Gruppe oder ein E-Mailverteiler.
  • Die Tätigkeit der Beteiligten sollte z. B. über eine Aufwandsentschädigung honoriert werden.

Formate und Möglichkeiten

  • Für eine kurzfristige Zusammenarbeit eignen sich vor allem Feedbackanfragen. Hierfür bieten sich z. B. (Online-)Umfragen an, die über soziale Medien verbreitet werden können. Nutzerinnen eines Social-Media-Kanals können darüber gezielt angesprochen und interaktiv eingebunden werden.
  • Auch die Funktionsweise bestimmter digitaler Angebote bzw. Online-Tools kann ausprobiert bzw. getestet werden. Hierfür eigenen sich z. B. kurze (Online-)Workshops, in denen das jeweilige Angebot, z. B. Online-Buchungssystem/ Chat-Bot/ Veranstaltungskalender, kurz vorgestellt und dann von den Teilnehmenden seitens der Zielgruppe ausprobiert wird.
  • Um mittel- bis längerfristig an konkreten Fragen zusammenzuarbeiten, eignet sich die Etablierung einer festen Gruppe, die sich regelmäßig online oder in Präsenz zu Austauschformaten, z. B. Workshops, mit den Anbieter*innen trifft. Die Themen und Fragestellungen sollten dabei gut kontextualisiert und vorbereitet werden. Beispiele hierfür sind: (1) die Identifikation relevanter Inhalte, für die ein Erklärvideo hilfreich wäre bzw. die unbedingt mehrsprachig und/oder in einfacher Sprache zur Verfügung stehen sollten; (2) Themen, die auf der Startseite des digitalen Informationsangebots hervorgehoben werden sollten; (3) konkrete Fragen bzgl. der Weiterentwicklung der Struktur der Webseite.

Langfristig trägt diese Form der partizipativen Zusammenarbeit mit Neuzugewanderten Frauen dazu bei, dass sie bessere und direktere Einblicke in die Vielfalt unterstützender digitaler Angebote und der ihnen zugrundeliegenden Strukturen erhalten. Dieses Wissen hilft ihnen, Vertrauen in die Institutionen und Organisationen aufzubauen, welches sie wiederum als Multiplikatorinnen an ihre eigenen Communities weitergeben (vgl. auch Stapf 2019, S. 99).

„Hinter Institutionen stecken Menschen mit genau so vielen Gefühlen wie wir. Es war wunderbar zu erfahren, dass sie Dialog und Rat suchen, um sich für uns verbessern zu können.“

Dorota Günzel

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