Europäische Zugewanderte in Berlin (2011-2021)

Interaktive Grafiken zur Entwicklung und Verteilung der (EU-)Zuwanderung

Gizem Ünsal, Januar 2023

Unter Verwendung der Statistik des Berliner Melderegisters analysiert Minor im siebten Jahr in Folge die Entwicklung der Berliner Bevölkerung aus der Europäischen Union sowie deren Verteilung auf die verschiedenen Bezirke und Stadtteile. Neu in diesem Jahr ist eine zusätzliche Analyse über die Bevölkerung aus EU-Beitrittskandidatenländern.

Dieser interaktive Bericht ist nicht optimal für eine Nutzung auf mobilen Endgeräten.

Im Folgenden wird die Entwicklung der Bevölkerungsgruppen aus verschiedenen Staaten in Berlin beschrieben. Die Herkunftsländer werden wie folgt gruppiert:

Ältere Mitgliedstaaten: EU-Mitgliedstaaten, die der EU vor dem Jahr 2004 beigetreten sind (Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien) sowie Malta und Zypern, mit der Ausnahme von Deutschland.

EU-Osterweiterung: EU-Mitgliedstaaten, die der EU nach dem Jahr 2004 beigetreten sind (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Kroatien) mit der Ausnahme von Malta und Zypern.

EU-Beitrittskandidaten: Berücksichtigt werden offizielle Kandidatenländer der EU (Albanien, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Türkei, Ukraine, Bosnien und Herzegowina, Republik Moldau) sowie auch potenzielle Kandidatenländer (Georgien, Kosovo)

Andere Drittstaatsangehörige: Berücksichtig werden alle Staatsangehörigen, die nicht unter die vorgenannten Gruppierungen fallen.

Zu beachten ist, dass aufgrund des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU britische Staatsangehörige seit dem Jahr 2020 in den Meldedaten nicht länger als EU-Bürger*innen gezählt werden. Aus Gründen der Vergleichbarkeit werden in den folgenden Analysen britische Staatsangehörige, unabhängig davon, um welches Jahr es sich handelt, zu den Drittstaatsangehörigen gezählt.

Entwicklung der Zahl der in Berlin gemeldeten Deutschen und Zugewanderten zwischen 2011 und 2021

Die Einwohnerzahl in Berlin ist in den letzten zehn Jahren um 10,2 % gestiegen. Das Bevölkerungswachstum schwankt jedoch von Jahr zu Jahr und war in den letzten 2 Jahren tendenziell geringer als im Jahr 2019. So waren von 2018 auf 2019 21.347 Einwohner*innen mehr in Berlin gemeldet, von 2019 auf 2020 hingegen nur 472. Im Jahr 2021 beträgt die Differenz zum Vorjahr 5.518 Personen.  Damit ist der Zuwachs höher als im Jahr 2020, aber immer noch merklich geringer als in den Vorjahren.

Grafik 1: Anzahl, Wachstum und Anteil an der Gesamtbevölkerung der in Berlin gemeldeten Deutschen, Nichtdeutschen, EU-Bürger*innen, Menschen aus Beitrittskandidatenländern und anderen Drittstaatsangehörigen (2011-2021). Eigene Darstellung nach Amt für Statistik Berlin-Brandenburg © Minor

Jede*r 5. Berliner*in hat keinen deutschen Pass

Ein genauerer Blick auf die Daten zeigt, dass der Rückgang des Bevölkerungswachstums bei Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit besonders stark ausfällt, die Zahl der Zugewanderten im Gegensatz dazu steigt. Damit steigt der Anteil der Zugewanderten an der Berliner Bevölkerung von Jahr zu Jahr: Während im Jahr 2011 Zugewanderte 14,0 % der Berliner Bevölkerung bilden, ist dieser Anteil im Jahr 2021 auf 21,5 % gestiegen, sodass Zugewanderte mittlerweile eine zahlenmäßig wichtige Bevölkerungsgruppe in Berlin bilden.

Im Jahr 2021 sind die meisten Zugewanderten in Berlin im erwerbsfähigen Alter (15 bis 65 Jahren, 81,3 % der Zugewanderten), im Vergleich zu deutschen Berliner*innen mit einem  Anteil von 63,0 %. Zugewanderte bringen somit nicht nur gesellschaftliche Vielfalt in die Hauptstadt, sondern können auch einen wichtigen Beitrag auf dem Berliner Arbeitsmarkt leisten.

Betrachtet man die einzelnen (EU)-Staatsangehörigkeiten im Detail, so wird deutlich, dass bei einigen Bevölkerungsgruppen der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter größer ist als bei anderen. Besonders hoch ist er bei Personen aus Malta, Luxemburg, Irland und Spanien (91,1 – 93,4 %). Am niedrigsten ist er bei deutschen Staatsangehörigen (63,0 %), gefolgt von Staatsangehörigen aus Moldawien, Kroatien und Bosnien und Herzegowina und Serbien (68,7 % – 74,5 %).

Bei Staatsangehörigen aus Rumänien, Moldawien, Bulgarien und Albanien liegt der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren bei über 15 %. So ist jeder fünfte rumänische Staatsangehörige sowie fast jeder dritte moldawische Staatsangehörige in Berlin unter 15 Jahre alt.

Der Anteil der über 65-Jährigen ist unter deutschen (22,3 %), kroatischen (21,9 %), slowenischen (20,1 %) und türkischen (18,3 %) Staatsangehörigen am höchsten.

Grafik 2: Altersverteilung der ausgewählten Bevölkerungsgruppen (Stichtag 31.12.2021). Eigene Darstellung nach Amt für Statistik Berlin-Brandenburg © Minor

Wachsen die Bevölkerungsgruppen gleich schnell oder gibt es hier Unterschiede?

Besonders deutlich ist der Bevölkerungszuwachs seit dem Jahr 2011 bei den Drittstaatsangehörigen: Während der Anteil der Drittstaatsangehörigen an der Berliner Bevölkerung im Jahr 2011 noch 9,1 % betrug, liegt er im Jahr 2021 bei 14,3 %.

Auch bei den EU-Bürger*innen ist bis zum Jahr 2018 ein starkes Wachstum zu beobachten: Deren Anzahl ist von 2011 bis 2018 um 62,3 % gestiegen. Allerdings stagniert dieses Wachstum seit 2018. Bei den EU-Bürger*innen aus den älteren Mitgliedsstaaten ist sogar ein Rücklauf zu beobachten, so dass deren Anzahl im Jahr 2021 um 461 Personen geringer ist als im Jahr 2020.

Die Zahl der Menschen aus den EU-Beitrittskandidatenländern ist in den letzten 10 Jahren stabil gewachsen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung Berlins ist seit 2011 um 0,2 Prozentpunkte gestiegen. Für die einzelnen Länder sind jedoch unterschiedliche Tendenzen zu beobachten.  Dies wird in den nächsten Abbildungen untersucht.

Grafik 3: Anzahl und Anteil an der Gesamtbevölkerung der in Berlin gemeldeten EU-Bürger*innen und Staatsangehörigen aus Beitrittskandidatenländern von 2011 bis 2021 (Stichtag jeweils 31.12.). Eigene Darstellung nach Amt für Statistik Berlin-Brandenburg © Minor

Die EU-Staatsangehörigen in Berlin kommen hauptsächlich aus Polen, Italien, Bulgarien, Rumänien und Frankreich. Die kleinsten EU-Bevölkerungsgruppen stellen Zugewanderte aus Malta und Zypern dar.

Wird die Entwicklung der EU-Bürger*innen betrachtet, wird sichtbar, dass einige Bevölkerungsgruppen im Laufe der letzten 10 Jahren unterschiedlich gewachsen sind. So bildeten z. B. rumänische Staatsangehörige im Jahr 2011 noch die neuntgrößte EU-Bevölkerungsgruppe in Berlin, im Jahr 2021 schon die viertgrößte. Ebenso haben bulgarische Staatsangehörige im Jahr 2012 die französische Bevölkerung überholt und bilden nun die drittgrößte EU-Bevölkerungsgruppe in Berlin. Damit ist die bulgarische Bevölkerung in Berlin ähnlich groß wie die italienische.

Unter den Menschen aus den EU-Beitrittskandidatenländern stellen Zugewanderte aus der Türkei in Berlin die mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe. Es folgen serbische, ukrainische und bosnische Zugewanderte.

Verteilung auf Berliner Bezirke

Die Anteile von EU-Staatsangehörigen, deutschen Staatsangehörigen, Menschen aus der EU-Beitrittskandidatenländern und anderen Drittstaatsangehörigen in den zwölf Berliner Bezirken zeigen wesentliche Unterschiede:

Im Jahr 2021 ist der Anteil der nicht-deutschen Bevölkerungsgruppen im Bezirk Mitte mit 34,8 % am größten. Am geringsten ist er in den östlichen Berliner Bezirken wie Treptow-Köpenick (12,1 %) und Marzahn-Hellersdorf (14,0 %). Dabei ist zu beachten, dass der Anteil der EU-Staatsangehörigen in Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick zwar deutlich geringer ist als in anderen Bezirken, die nichtdeutsche Bevölkerung (insbesondere Staatsangehörige der EU-Osterweiterung und Drittstaatsangehörige) in diesen Bezirken jedoch in den letzten zehn Jahren stark zugenommen hat. In Marzahn-Hellersdorf zum Beispiel ist die Anzahl der Moldawier*innen um 2.467 % und Rumän*innen um 1.123 % gestiegen.

Grafik 4: Der Anteil von deutschen Staatsangehörigen, EU-Bürger*innen, Menschen aus EU-Beitrittskandidatenländern und anderen Drittstaatsangehörigen in den Berliner Bezirken von 2011 bis 2021 (Stichtag jeweils 31.12.). Eigene Darstellung nach Amt für Statistik Berlin-Brandenburg © Minor

Mit Ausnahme der Deutschen ist jede Bevölkerungsgruppe im Bezirk Mitte am stärksten vertreten. Neben dem Bezirk Mitte wohnen Menschen aus älteren Mitgliedsstaaten vor allem in Friedrichshain-Kreuzberg, Menschen aus der EU-Osterweiterung in Spandau und Menschen aus den Beitrittskandidatenländern im Bezirk Neukölln. Die Bevölkerung mit deutscher Staatsangehörigkeit wohnt dagegen überwiegend in Pankow und am seltensten in Spandau.

Die Verteilung in den Stadtteilen zeigt auch Unterschiede: Personen aus den älteren Mitgliedstaaten sind am stärksten in den Stadtteilen Nord-Neukölln (9,1 %) und Prenzlauer Berg (8,9 %) vertreten, während im Wedding Personen aus den EU-Osterweiterungsstaaten (8,9 %) und aus den Drittstaaten (8,2 %) am häufigsten vertreten sind.

Grafik 5: Anzahl und Anteil an der Gesamtbevölkerung der in den Berliner Bezirken gemeldeten EU-Bürger*innen und Menschen aus Beitrittskandidatenländern nach Staatsangehörigkeit von 2011 bis 2021 (Stichtag jeweils 31.12.). Eigene Darstellung nach Amt für Statistik Berlin-Brandenburg © Minor

Entwicklungen in den Bezirken und Stadtteilen

Der Bezirk Mitte verzeichnet im Gegensatz zu den meisten anderen Bezirken seit 2018 bzw. 2019 Wegzüge unter EU-Bürger*innen verschiedener Staatsangehörigkeiten. Dies betrifft vor allem die französische (- 19,4 %) und polnische Bevölkerung (- 17 %).

Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf stellen Pol*innen die mit Abstand größte Gruppe an EU-Zugewanderten dar, auch wenn seit 2017 ein starker Rückgang der Bevölkerungszahl zu verzeichnen ist (-1.744 Personen). Insgesamt lässt sich sagen, dass die größten EU-Bevölkerungsgruppen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf in Berlin seit 2021 leichte, für einzelne Nationalitäten auch starke Rückgänge zu verzeichnen haben. Die Anzahl der Menschen aus den Beitrittskandidatenländern ist ebenfalls rückläufig.

Der Großteil der EU-Bevölkerung in Friedrichshain-Kreuzberg ist italienisch und französisch. Diese Bevölkerungsgruppen wachsen weiter, aber auch unter weiteren Staatsangehörigkeiten ist ein kontinuierlicher Zuwachs innerhalb der vergangenen zehn Jahre erkennbar. Die Zahl der Menschen aus den Beitrittskandidatenländern ist dagegen zum Teil stabil und zum Teil gesunken. Besondere Rückgänge sind zum Beispiel bei den türkischen Staatsangehörigen zu beobachten.

Auch in Lichtenberg weist die EU-Bevölkerung eine steigende Tendenz auf. Besonders auffällig ist, dass die bulgarische, italienische und rumänische Bevölkerung dynamisch zunimmt: Zum Beispiel lebten im Jahr 2011 nur 262 rumänische Staatsangehörige im Bezirk Lichtenberg, im Jahr 2021 sind es hingegen 2.443. Ebenso ist die bulgarische Bevölkerung in den letzten 10 Jahren von 598 auf 2.348 Personen angewachsen.

In den östlichen Stadtrandbezirken Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick spiegeln sich die berlinweiten Trends wider: Dort sind osteuropäische Staatsangehörige wie Pol*innen, Bulgar*innen und Rumän*innen im Vergleich zu anderen EU-Staatsangehörigkeiten deutlich stärker vertreten. Auch sie weisen in den letzten zehn Jahren eine besondere Dynamik auf: So ist in Marzahn-Hellersdorf die rumänische Bevölkerung um 1.123 %, die bulgarische Bevölkerung um 518 % und die polnische Bevölkerung um 185 % gewachsen. Bei der Bewertung dieser Zahlen sollte beachtet werden, dass die rumänische und bulgarische Bevölkerung im Bezirk im Jahr 2011 nur aus wenigen hundert Personen bestand.

Diese dynamische Entwicklung kann nicht ausschließlich auf die allgemein steigende Zahl osteuropäischer Staatsangehöriger in Berlin zurückgeführt werden. Obwohl die Bevölkerung aus diesen Ländern auch in den meisten Innenstadtlagen in absoluten Zahlen kontinuierlich wächst, findet doch eine relative Verlagerung in die östlichen Stadtrandbezirke Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Lichtenberg statt. So lebten z. B. im Jahr 2011 insgesamt nur 9,1 % der Personen aus EU-Osterweiterungsstaaten in diesen Bezirken; mittlerweile sind es 18,9 %.  Diese Entwicklung ist besonders auffällig, wenn sie mit der räumlichen Verteilung der Staatsangehörigen aus den älteren EU-Mitgliedstaaten und der deutschen Bevölkerung verglichen wird: So fällt die Veränderung des Anteils der Staatsangehörigen der älteren EU-Mitgliedstaaten in den östlichen Berliner Bezirken deutlich geringer aus (von 4,3 % auf 8,9 %). Für die deutsche Bevölkerung ist kaum eine Veränderung nachweisbar (24,0 % auf 24,5 %).

Wohnlage

Das Statistikamt Berlin-Brandenburg erfasst auch Daten zur Wohnsituation der Berliner*innen. Die Wohnungen der Einwohner*innen werden dabei in einfache, mittlere und gute Wohnlagen unterteilt. Auch hier wird deutlich, dass sich die Wohnsituation verschiedener EU-Bevölkerungsgruppen nicht nur von deutschen Staatsangehörigen, sondern auch von Staatsangehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten deutlich unterscheidet. Menschen aus den EU-Osterweiterungsstaaten wohnen im Vergleich zu Deutschen oder Menschen aus den älteren Mitgliedstaaten deutlich häufiger in schlechteren Wohnlagen.

Beispielsweise leben knapp sechs von zehn Bulgar*innen in einer einfachen Wohnlage. Dies ist der höchste Anteil unter allen EU-Herkunftsländern. Direkt darauf folgen rumänische (46,2 %), maltesische (45,1 %) und polnische (43,4 %) Staatsangehörige. Für deutsche Staatsangehörige beträgt dieser Anteil lediglich 29,4 %. Hingegen leben Staatsangehörige der älteren Mitgliedstaaten sehr viel häufiger in guten Wohnlagen. Hier leben 32,8 % der finnischen, 32,5 % der dänischen und 30,8 % der österreichischen Bevölkerung. Im Gegensatz dazu wohnen nur 8,7 % der Bulgar*innen und 13,2 % der Rumän*innen in einer guten Wohnlage. Im Vergleich dazu sind es 19,6 % der Bevölkerung mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Unter den Menschen aus den Beitrittskandidatenländern leben die türkischen Staatsangehörigen am häufigsten in Gebieten mit einfacher Wohnlage. Dieser Anteil ist auch höher als bei allen anderen (EU-) Bevölkerungsgruppen in Berlin.  Ukrainische Staatsangehörige sind in den einfachen Wohngebieten am wenigsten vertreten, ihr Anteil ist ähnlich hoch wie der der deutschen Staatsangehörigen.

Grafik 6: Wohnlage der EU-Bürger*innen und Menschen aus Beitrittskandidatenländern in Berlin zum 31.12.2021. Eigene Darstellung nach Amt für Statistik Berlin-Brandenburg © Minor

Anzahl der Bevölkerungsgruppen in den Stadtteilen 

Entwicklung der Bevölkerungsgruppen in den Stadtteilen 

Verteilung auf Planungsräume (2021)

Kontakt:

Gizem Ünsal
g.uensal@minor-kontor.de

Diese Analyse wurde im Rahmen des Projektes European Labour Lab Berlin veröffentlicht.

Das Projekt wird von der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung gefördert.

Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales