Der Migrant-Gender-Pay-Gap

Sind die Gehälter niedrig, trifft es alle

Laura Spitaleri, Juli 2022

Die IQ Fachstelle Einwanderung untersucht in der vorliegenden Analyse die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen und eingewanderten und nichteingewanderten Personen – den sog. Migrant-Gender-Pay-Gap. Zentral ist dabei die Frage: Verdienen, trotz gleichem Bildungs- oder Anforderungsniveau und gleichem Berufszweig, Männer mehr als Frauen und Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit mehr als Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit? Datengrundlage ist eine Erhebung aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland.

Zentrale Erkenntnisse

  • In Ostdeutschland sind die Gehälter niedriger als in Westdeutschland. Dafür sind in Ostdeutschland aber die Unterschiede, sowohl zwischen Männern und Frauen als auch zwischen den Staatsangehörigkeiten, geringer.
  • Viele Akademiker*innen, vor allem Frauen aus den Asylherkunftsländern, sind unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt – dies ist ein Hinweis auf eine fehlende bzw. gehemmte Aufwärtsmobilität.
  • Die relativen Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen und zwischen verschiedenen Staatsangehörigen verringern sich bei niedrigeren Gehältern: Ist das Bildungs- oder das Anforderungsniveau niedrig und somit auch die Gehälter geringer, gibt es kaum Unterschiede zwischen Frauen und Männern oder den Staatsangehörigkeiten. Anders gesagt: Sind die Gehälter trotz Vollzeitbeschäftigung gering, trifft es alle.
  • Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen und zwischen den Staatsangehörigkeiten sind stark von der Branche und dem Anforderungsniveau abhängig. Es gibt relativ „gleichberechtigte“ Branchen, wie z. B. „Gesundheit, Lehre und Erziehung“ und Branchen, in denen es trotz gleichem Anforderungsniveau eklatante Unterschiede gibt, wie z. B. „Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung“.
  • Es gibt große Unterschiede zwischen den Staatsangehörigkeiten, aber fast immer verdienen Personen aus den Asylherkunftsländern im Durchschnitt weniger als die Vergleichsgruppen. Diese Unterschiede bleiben auch dann bestehen, wenn das Bildungsniveau und das Anforderungsniveau berücksichtigt wird.
  • Zeigen sich Gehaltsunterschiede zwischen den Staatsangehörigkeiten trotz gleichem Bildungsniveau, könnte eine Erklärung sein, dass Personen z. B. einen akademischen Abschluss haben, aber eine Tätigkeit ausüben, die diese Qualifikation nicht erfordert. Werden die Daten allerdings nach Anforderungsniveau ausgewertet, zeigen sich trotzdem starke Lohnlücken. Eingewanderte Personen, die als Expert*innen arbeiten, verdienen gleichwohl weniger als andere Beschäftigte. Dies betrifft vor allem Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Das Ergebnis deutet auf eine Benachteiligung eingewanderter Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt hin.

Der „Gender-Pay-Gap“, der „Migrant-Pay-Gap“ und das Ziel dieser Analyse

Das Statistische Bundesamt zeigt: In Deutschland verdienen Männer im Schnitt mehr als Frauen; der sog. „Gender-Pay-Gap“ liegt bei ca. 18 % (Statistisches Bundesamt 2022). Wird bei der Berechnung des Gender-Pay-Gaps die Qualifikation, die Tätigkeit und die Erwerbsbiografie berücksichtigt, liegt der „bereinigte“ Gender-Pay-Gap bei ca. 6 % (ebd.).

Gehaltsunterschiede gibt es nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern auch zwischen Eingewanderten und Nichteingewanderten: der sog. „Migrant-Pay-Gap“. Beispielsweise stellt der Datenreport der Bundeszentrale für politische Bildung fest, dass das Einkommen von Personen mit eigener oder familiärer Migrationserfahrung im Jahr 2018 4,5 Prozentpunkte unter dem Einkommen von Personen ohne eigener oder familiärer Migrationserfahrung liegt (bpb 2021). Eine weitere Studie zeigt, dass die Lücke zwischen den Einkommen von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit und Eingewanderten zwischen 1994 und 2015 von 13,6 % auf 17,6 % gestiegen ist, während die Lücke bei Eingewanderten, die die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben, von 10 % auf 16,4 % gestiegen ist (Ingwersen & Thomsen 2019). Die Autor*innen konnten zeigen, dass diese Unterschiede vor allem mit drei Faktoren zusammenhängen: Deutschkenntnissen, dem ausgeübtem Beruf und der mangelnden Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) betrachtet sowohl das Geschlecht als auch die Migrationserfahrung von Beschäftigten in 49 Ländern und zeigt, dass eingewanderte Frauen im Schnitt 20,9 % weniger verdienen als nichteingewanderte Männer (ILO 2020). Aufgrund mangelnder Daten fehlt Deutschland in dieser Studie. Allerdings gibt es eine Untersuchung aus dem Jahr 2008, die den Migrant-Gender-Pay-Gap in Deutschland analysiert: Eingewanderte Männer verdienen im Schnitt 11 % weniger als nichteingewanderte Männer; bei Frauen liegt dieser Unterschied sogar bei 20 % (Aldashev et al. 2008). Wird die Lohnlücke bereinigt, also werden nur Gehälter von Personen verglichen, die eine deckungsgleiche Qualifikation, Tätigkeit und Erwerbsbiografie haben, reduziert sich dieser Unterschied vor allem für Frauen kaum. Demnach erfahren eingewanderte Frauen trotz gleicher Qualifikation, Tätigkeit und Erwerbsbiografie erhebliche Einbußen beim Gehalt.

Die IQ Fachstelle Einwanderung untersucht in der vorliegenden Analyse die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen und zwischen verschiedenen Staatsangehörigkeiten in den Jahren 2016, 2018 und 2020. Um sich der bereinigten Lohnlücke anzunähern, werden die Daten auch nach Bildungs- und Anforderungsniveau differenziert. Zentral ist dabei die Frage: Verdienen trotz gleichem Bildungs- oder Anforderungsniveau und gleichem Berufszweig, Männer mehr als Frauen und Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit mehr als Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit? Datengrundlage ist eine Erhebung aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland.

Aus einer Sonderauswertung der Entgeltstatistik (siehe dazu Infobox) liegen folgende Daten vor:

  • Das Medianentgelt (Brutto, monatlich) von weiblichen und männlichen Vollzeitbeschäftigten
    • Nach Arbeitsort: Ost- oder Westdeutschland;
    • Nach Jahren: 2016, 2018 und 2020;
    • Nach Staatsangehörigkeit: Deutschland, EU-15, EU-11, Drittstaaten, Asylherkunftsländer (siehe dazu Infobox);
    • Nach Berufsabschluss der Beschäftigten: ohne Berufsabschluss, anerkannter Berufsabschluss, akademischer Abschluss (siehe dazu Infobox);
    • Nach Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit: Helfer*in, Fachkraft, Spezialist*in, Expert*in (siehe dazu Infobox);
    • Und nach Berufsbereich (1-Steller) – im Folgenden „Branchen“ genannt – laut der Klassifikation der Berufe. Diese sind:
      • Land-, Forst-, Tierwirtschaft, Gartenbau;
      • Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung;
      • Bau, Architektur, Vermessung, Gebäudetechnik;
      • Naturwissenschaft, Geografie, Informatik;
      • Verkehr, Logistik, Schutz, Sicherheit;
      • Kaufmännische Dienstleistungen, Handel, Vertrieb, Tourismus;
      • Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht, Verwaltung;
      • Gesundheit, Soziales, Lehre, Erziehung;
      • Geisteswissenschaften, Kultur, Gestaltung.

Da der Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit keine Daten herausgibt, wenn in eine Gruppe weniger als 500 Personen fallen, wurde darauf verzichtet, die Daten auch nach Altersgruppen aufzuschlüsseln. Das Alter und die entsprechende Berufserfahrung spielen bei der Bezahlung eine wichtige Rolle, nichtsdestotrotz wurden für diese Auswertung Staatsangehörigkeit, Bildungs- und Anforderungsniveau und Branche priorisiert, um ausreichend Datensätze zu erhalten.

Um die Aussagekraft der Daten zu erhöhen, enthält die Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit, die Basis dieser Auswertung ist, nur Daten von Vollzeitbeschäftigten. Durch diese Eingrenzung werden die Daten nicht durch unterschiedliche gesetzliche Regelungen oder durch verschiedene Ausprägungen von Teilzeitbeschäftigung bzw. ausschließlich geringfügiger Beschäftigung verzerrt.

Die Mindestfallzahl von 500 Personen pro Gruppe ist auch der Grund für die recht grobe Auswahl der Branchen. Beispielsweise fallen unter die Branche “Gesundheit, Soziales, Lehre, Erziehung“ sehr viele Berufe, die sich in den Zugangsvoraussetzungen, der Tätigkeit und der Bezahlung stark unterscheiden (z. B. Chirurgin und Erzieher). Wäre eine feingliedrige Auswahl der Branchen laut der Klassifikation der Berufe gewählt worden, wäre diese Analyse allerdings wegen der Mindestfallzahl pro Gruppe nicht möglich gewesen. Allein mit der Wahl der neun hier gewählten Branchen, gibt es teilweise zu wenig Datenpunkte, sodass nur vier der neun Branchen ausgewertet werden konnten (siehe weiter unten). Bei den dargestellten Ergebnissen muss daher bzgl. der Aussagekraft beachtet werden, dass die hier dargestellten Branchen eine grobe Auswahl darstellen und sehr unterschiedliche Berufe zusammenfassen.

Die Daten, die im Folgenden ausgewertet werden, sind eine Erhebung aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland. Dennoch gilt zu beachten, dass bei den Vergleichen der Staatsangehörigkeitsgruppen unterschiedliche Fallzahlen vorliegen. Die Gruppe der Vollzeitbeschäftigten mit deutscher Staatsangehörigkeit ist z. B. größer als die Gruppe der Vollzeitbeschäftigten aus den Westbalkanländern. Bei einer kleineren Gruppe könnte die Streuung der Gehälter geringer sein, was die Berechnung des Medians beeinflussen könnte. Zwar liegen alle Gehälter vor und das durchschnittliche Einkommen einer Gruppe wird nicht berechnet, wenn es weniger als 500 Beschäftigte gibt, dennoch sind einige der hier abgebildeten Gruppen kleiner als andere – dies gilt es bei der Betrachtung der Daten ebenfalls zu beachten.

Die Entgeltinformationen werden für unterschiedliche Staatsangehörigkeiten ausgewiesen:

  • Deutschland
  • EU-15: Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, Zypern
  • EU-11 bzw. Osterweiterung der EU: Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, Kroatien
  • Drittstaaten: Alle Staatsangehörigkeiten, außer Deutschland und EU. Das Vereinigte Königreich wird in allen Jahren zu den Drittstaaten gezählt.
  • Asylherkunftsländer: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien

Hinweis für Leser*innen: Die Grafiken sind interaktiv. Sie können durch das Klicken auf eine Gruppe oder einen Datenpunkt auswählen, welche Daten angezeigt werden. Wenn Sie in der Grafik auf das vierte Symbol von rechts klicken, wird Ihre Auswahl zurückgesetzt und Sie sehen wieder alle Daten.

Welche Daten werden für diese Analyse genutzt? Diese Analyse basiert auf einer Sonderauswertung der Entgeltstatistik durch den Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit. Die Entgeltstatistik enthält die Bruttomonatsentgelte, inklusive Sonderzahlungen, von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in Vollzeit arbeiten. Da alle Entgelte in die Statistik einfließen, unabhängig davon, wie viele Tage oder Monate die Person gearbeitet hat, wird für jede Person das durchschnittliche monatliche Entgelt berechnet. Der Statistikservice veröffentlicht allerdings nicht die individuellen Bruttomonatsentgelte, sondern berechnet das Medianentgelt der Gruppen, die beim Statistikservice angefragt werden.

Was ist das Medianeinkommen? Entgeltstatistiken betrachten üblicherweise den Median und nicht das arithmetische Mittel. Der Median ist der Wert, der genau in der Mitte der Einkommensverteilung liegt und somit gegenüber sehr niedrigen oder sehr hohen Einkommen robust ist.

Welche Personengruppen sind nicht Teil der Entgeltstatistik? Die Entgeltstatistik enthält keine Entgeltinformationen von Vollzeitbeschäftigten, für die eine besondere Vergütungsregelung zur Ausbildung, Jugendhilfe, Berufsförderung, Tätigkeit in Behindertenwerkstätten oder zu Freiwilligendiensten gilt.

Woher stammen die Informationen? Die Entgeltinformationen stammen aus den jährlichen Arbeitgebermeldungen zur Sozialversicherung und sind somit eine Vollerhebung der Beschäftigten in Deutschland. Da Arbeitgeber die Entgelte der Beschäftigten nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung melden müssen, sind die tatsächlichen Entgelte oberhalb dieser Grenze nicht bekannt. Im Jahr 2020 lag die monatliche Beitragsbemessungsgrenze in Westdeutschland bei 6.900 € und in Ostdeutschland bei 6.450 € (Brutto).

Gibt es eine Mindestfallzahl? Bei einer zu geringen Fallzahl von Beschäftigen pro Gruppe ist die Aussagekraft der Daten eingeschränkt. Daher wird das Bruttomonatsentgelt nur angezeigt, wenn es in einer bestimmten Gruppe mehr als 500 Fälle gibt.

Höhere Einkommen im Westen als im Osten Deutschlands, aber kaum Unterschiede zwischen Frauen und Männern in Ostdeutschland

Im alleinigen Vergleich der Gehälter von Frauen und Männer in Ost- und Westdeutschland über die Jahre, zeigt sich, dass die Gehälter im Westen höher sind als im Osten, dass in Ostdeutschland Frauen minimal besser verdienen als Männer und dass im Westen Männer knapp 500 € mehr verdienen als Frauen. Dieser Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen wird „unbereinigter Gender-Pay-Gap“ genannt, da hier alle Männer mit allen Frauen verglichen werden – unabhängig von ihrer Bildungsbiografie, dem Anforderungsniveau ihres Berufs oder der Branche, in der sie arbeiten. Blickt man auf die Fallzahlen, zeigt sich, dass in Westdeutschland doppelt so viele Männer (12 Mio.) als Frauen (5,6 Mio.) in Vollzeit beschäftigt sind; im Osten ist die Zahl der Vollzeitbeschäftigten insgesamt kleiner, die Geschlechterdisparität fällt aber etwas geringer aus (Männer: 2,5 Mio.; Frauen: 1,4 Mio.).

EU-15 und deutsche Staatsangehörige verdienen am besten, Staatsangehörige der EU-11 und der Asylher-kunftsländer am schlechtesten

In der Aufschlüsselung der Gehaltsunterschiede nach Staatsangehörigkeit zeigt sich – sowohl im Geschlechter- als auch im Ost-West-Vergleich – eine ähnliche Rangfolge: Am meisten verdienen EU-15 und deutsche Staatsangehörige, gefolgt von Drittstaatsangehörigen und zum Schluss – in unterschiedlicher Reihenfolge in den vier Quadranten – Staatsangehörige der der Asylherkunftsländer und der EU-11. Wird bedacht, dass alle Beschäftigte in Vollzeit arbeiten, ergeben sich große Unterschiede. Zum Beispiel verdienen im Jahr 2020 in Westdeutschland Frauen aus den Ländern der EU-Osterweiterung (EU-11) knapp 1.800 € bzw. 45 % weniger als Männern mit deutscher Staatsangehörigkeit. Auch unter Männern in Westdeutschland gibt es große Gehaltsunterschiede: deutsche Staatsangehörige verdienen im Jahr 2020 knapp 1.800 € bzw. 45 % mehr als Staatsangehörige der Asylherkunftsländer. Diese Unterschiede können mit der Bildungsbiografie, dem Anforderungsniveau und der Branche zusammenhängen, in der diese Personen arbeiten und werden im Folgenden genauer betrachtet.

Je höher der Berufsabschluss, desto größer sind die Gehaltsunterschiede – sowohl zwischen Frauen und Männern als auch zwischen den Staatsangehörigkeiten

In der Aufgliederung der Gehälter nach Berufsabschluss ergibt sich ein klarer Trend: Je höher der Berufsabschluss, desto größer die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern und zwischen den Staatsangehörigkeiten. Zum Bespiel Männer in Ostdeutschland: Im Jahr 2020 verdienten deutsche Beschäftigte ohne Berufsabschluss rund 500 € mehr als Beschäftigte ohne Berufsabschluss der Asylherkunftsländer (1. Seite der Grafik). Bei der gleichen Gruppe, die über einen anerkannten Berufsabschluss verfügt, vergrößert sich dieser Unterschied auf rund 700 € und verdoppelt sich bei Akademikern auf 1.400 € (2. und 3. Seite der Grafik). Dieser Trend zeigt sich auch bei Frauen. Anders gesagt: Sind die Bildungsabschlüsse und somit auch die Gehälter niedriger, verringern sich die Unterschiede zwischen Männern und Frauen und zwischen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit und Eingewanderten.

Ein Blick auf die Fallzahlen gibt zudem Hinweise auf die sog.  Aufwärtsmobilität von Personen aus den Asylherkunftsländern. So steigt zwar die Zahl der Personen aus den Asylherkunftsländern, die in Vollzeit beschäftigt sind und über einen anerkannten Berufsabschluss verfügen, massiv an, die Gehaltslücke zu Beschäftigten mit deutscher Staatsangehörigkeit bleibt aber gleich. Zum Beispiel stieg in Westdeutschland die Anzahl von Männern aus Asylherkunftsländern, die in Vollzeit arbeiten und einen anerkannten Berufsabschluss besitzen, im Jahr 2016 von rund 9.700, auf 19.300 im Jahr 2018 und 32.500 im Jahr 2020. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass obwohl Personen aus den Asylherkunftsländern an Integrationsmaßnahmen teilnehmen, sich weiterbilden und in Deutschland anerkannte Berufsabschlüsse erlangen, sie trotzdem große Gehaltseinbußen hinnehmen müssen. Betrachtet man Personen mit einem anerkannten Berufsabschluss in Westdeutschland, liegt die Gehaltslücke zwischen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit und Personen aus den Asylherkunftsländern bei Männern bei 36 % und bei Frauen bei 26 %.

Diese Unterschiede geben nur erste Hinweise und könnten mit dem Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit und der Branche zusammenhängen. Beide Faktoren werden im Folgenden analysiert.

Die Bundesagentur für Arbeit unterteilt in ihrer Statistik die Berufsabschlüsse von Beschäftigten in vier Kategorien:

  • Mit akademischem Abschluss: Personen, die einen Bachelorabschluss, ein Diplom, einen Magister, einen Masterabschluss, ein Staatsexamen oder eine Promotion haben. Grundsätzlich wird nicht unterschieden, ob der akademische Abschluss in Deutschland oder im Ausland erworben wurde. Eine Ausnahme sind akademische Berufe, die reglementiert sind, z. B. Ärzt*innen. Personen, die im Ausland studiert haben und einen reglementierten Beruf in Deutschland ausüben möchten, benötigen die Anerkennung ihres Abschlusses. Akademiker*innen, die für die Ausübung ihres erlernten, aber reglementierten Berufs eine Anerkennung benötigen, diese jedoch nicht beantragt oder erhalten haben, fallen in die Kategorie „ohne Berufsabschluss“. Die Kategorie „mit akademischem Abschluss“ enthält demnach Beschäftigte mit einem akademischen Abschluss, der in Deutschland oder im Ausland erworben, und, wenn sie einen reglementierten Beruf ausüben, der in Deutschland anerkannt wurde.
  • Mit anerkanntem Berufsabschluss: Personen, die eine Berufsausbildung oder einen Meister-, Techniker- oder gleichwertigen Fachschulabschluss haben, der oder die in Deutschland anerkannt ist. Auch hier wird zwischen reglementierten und nicht reglementierten Berufen unterschieden. Die Kategorie „anerkannter Berufsabschluss“ enthält in Deutschland erworbene Berufsabschlüsse sowie im Ausland erworbene Berufsabschlüsse, für die keine Anerkennung nötig ist – also bei nicht-reglementierten Berufen – und im Ausland erworbene Abschlüsse mit Anerkennung. Die Bezeichnung „anerkannter Berufsabschluss“ ist daher ungenau, da ebenfalls Ausbildungen, die nicht anerkannt werden müssen, unter diese Kategorie fallen.
  • Ohne Berufsabschluss: Personen, die keinen Berufsabschluss haben oder Personen, die zwar einen im Ausland erworbene Abschluss haben (akademisch oder beruflich), der zur Ausübung eines reglementierten Berufes anerkannt werden müsste, die Anerkennung aber nicht beantragt und oder erhalten haben.
  • Ohne Angabe: Beschäftigte, bei denen keine Angaben zum Berufsabschluss vorliegen. Diese Daten wurden nicht ausgewertet.

Auch beim Anforderungsniveau zeigt sich: Je höher das Anforderungsniveau, desto größer die Gehaltsun-terschiede

Insgesamt fällt auf, dass die Gehälter und die Gehaltsspanne kleiner werden, je niedriger das Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit ist. Der Trend, der sich abbildet, gilt auch hier: Sind die Gehälter niedrig, trifft es alle.

Auch die Fallzahlen verändern sich je nach Anforderungsniveau und zeigen den Anstieg von Beschäftigten ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Helferbereich bzw. im Niedriglohnsektor. Als Beispiel: arbeiteten im Jahr 2016 noch rund 190.000 Männer aus Drittstaaten als Helfer in Westdeutschland, so waren es im Jahr 2018 rund 264.000 und im Jahr 2020 bereits 288.000 Personen. Unter Frauen und den anderen Staatsangehörigkeiten zeigt sich dieser Trend auch. Auch unter Expert*innen steigen die Zahlen der Beschäftigten, wenngleich viel weniger Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit als solche Beschäftigt sind; z. B. arbeiteten im Jahr 2020 rund 105.000 Männer aus Drittstaaten als Experten in Westdeutschland, rund zwei Drittel weniger als solche, die als Helfer arbeiten. Bei Männern mit deutscher Staatsangehörigkeit im Westen ist es genau andersherum: unter ihnen sind mehr als Experten (1.800.000) statt als Helfer beschäftigt (972.000).

Die Daten zeigen zudem, dass wenn Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit als Expert*innen angestellt sind – dies betrifft eine eher geringe Anzahl im Vergleich zu den Personen, die als Helfer*innen arbeiten – sie zu den Topverdiener*innen gehören. Konkret: Personen aus den Ländern der EU-Osterweiterung, die in den vorigen Auswertungen am schlechtesten verdienten, verdienen nun – wenn sie Expert*innen sind und in Ostdeutschland arbeiten – rund 4.900 € (4. Seite der Grafik). Die höchsten Gehälter erreichen unter Expert*innen dennoch Männer in Westdeutschland, die Staatsangehörige der EU-15-Staaten oder Deutschlands sind (über 6.200 € bzw. + 21 %). Die größte Lücke besteht demnach zwischen Frauen aus den Asylherkunftsländern und Männern mit deutscher Staatsangehörigkeit bzw. aus den EU-15-Staaten: Frauen aus Asylherkunftsländern, die in Westdeutschland als Expertinnen in Vollzeit arbeiten, verdienen knapp 2.000 € weniger als (männliche) Experten aus den EU-15-Staaten – ein Unterschied von 30 %.

Eine Erklärung für die Gehaltsunterschiede trotz gleichermaßen anspruchsvoller Tätigkeit könnte in der Branche begründet sein, in der gearbeitet wird. Zum Beispiel verdienten im Jahr 2020 in Ostdeutschland Expertinnen in der Branche „Land-, Forst-, Tierwirtschaft- und Gartenbau“ rund 3.300 €, während Experten in der Branche „Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung“ rund 5.700 € verdienten. Um diese Möglichkeit zu eruieren, werden im nächsten Schritt Branche und Bildungsabschluss bzw. Anforderungsniveau verglichen.

Die Bundesagentur für Arbeit unterscheidet nach Komplexität der ausgeübten Tätigkeit vier Anforderungsniveaus (BA 2010: 27-28):

  • Helfer*in: Einfache (Routine-)Tätigkeiten, für die in der Regel kein formaler Bildungsabschluss, bzw. gegebenenfalls nur eine einjährige Berufsausbildung vorausgesetzt wird.
  • Fachkraft: Anspruchsvollere Tätigkeiten, für die fundierte Fachkenntnisse und eine mindestens zwei- bis dreijährige Berufsausbildung vorausgesetzt werden.
  • Spezialist*in: Komplexe Tätigkeiten, zum Teil verbunden mit Führungsaufgaben, für die mehrjährige Berufserfahrung sowie Fort- und Weiterbildungen vorausgesetzt werden.
  • Expert*in: Hochkomplexe Tätigkeiten, oft in der Forschung, Entwicklung, Analyse oder Wissensvermittlung, für die in der Regel eine Hochschulausbildung vorausgesetzt wird.

Gehaltsunterschiede sind stark von der Branche und dem Bildungs- bzw. Anforderungsniveau abhängig

Die Ausdifferenzierung nach Ost- und Westdeutschland, Frauen und Männern, den Staatsangehörigkeiten und dem Bildungsniveau führt in vielen Fällen dazu, dass Datenpunkte fehlen, weil es pro Gruppe weniger als 500 Personen gibt und das Medianentgelt dann nicht berechnet wurde. Aus diesem Grund werden im Folgenden nur ausgewählte Branchen gezeigt. Diese sind: Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung; Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung; Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit; Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht, Verwaltung.

Branchen im Fokus: Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung

Zunächst zeigt sich, dass in der Branche Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung kaum Vollzeitbeschäftigte arbeiten, die keinen Berufsabschluss haben: Auf der ersten Seite der Grafik fehlen viele Datenpunkte, vor allem in Ostdeutschland, da in dieser Gruppe weniger als 500 Personen in Vollzeit beschäftigt sind. Bei Personen ohne Berufsabschluss, die in dieser Branche arbeiten, fällt erneut auf, dass die Unterschiede zwischen Frauen und Männern und den Staatsangehörigkeiten vergleichsweise gering sind: +/- 700 €. Bei Beschäftigten mit anerkanntem Berufsabschluss beträgt diese Lücke 1.200 € und unter Akademiker*innen rund 2.200 € ‒ dies trotz gleicher Branche, Arbeitszeit und Ausbildung (2. bzw. 3. Seite der Grafik).

Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit sind nicht immer die Top-Verdiener*innen in der Branche Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung. Zwar verdienen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit ohne Berufsabschluss und mit anerkanntem Berufsabschluss im Vergleich mehr als Personen mit anderen Staatsangehörigkeiten (1. bzw. 2. Seite der Grafik), aber bei Akademiker*innen verdienen Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeiten am meisten – eine Ausnahme sind ostdeutsche Frauen. Unter Männern verdienen Staatsangehörige aus den Staaten der EU-Osterweiterung (EU-11) im Schnitt am meisten, unter den westdeutschen Frauen sind es Frauen aus den Asylherkunftsländern, die in den vorigen Analysen immer am schlechtesten abschnitten (allerdings sind dies nur 1.729 Frauen).

Trotz der recht hohen Gehälter unter Akademiker*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in der Branche „Gesundheit, Soziales, Lehre, Erziehung“, zeigen sich starke Geschlechterunterschiede. Zwar verdienen Akademikerinnen aus den Asylherkunftsländern im Westen mehr als andere Akademikerinnen, ihre männlichen Kollegen verdienen aber rund 22 % mehr als sie (männliche Akademiker der EU-11). Diese Lohnlücke könnte damit zusammenhängen, dass sie zwar eine akademische Ausbildung vorweisen können, die männlichen Akademiker aber eine Tätigkeit mit einem höheren Anforderungsniveau ausüben, die besser entlohnt wird, und/oder weibliche Akademikerinnen unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt sind.

Werden die Daten zum Anforderungsniveau herangezogen, zeigt sich, dass Gehaltsunterschiede in der Branche Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung nicht dadurch erklärt werden können, dass Akademikerinnen aus den Asylherkunftsländern möglicherweise unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten: Auch wenn sie entsprechend ihrer Ausbildung und Fähigkeiten als Expertinnen angestellt sind, verdienen sie im Schnitt rund 700 € weniger als Akademiker mit deutscher Staatsangehörigkeit – ein Unterschied von 13 % (4. Seite der Grafik). Ein Blick auf die Fallzahlen zeigt zudem, dass nicht alle Frauen aus den Asylherkunftsländern, die als Akademikerinnen in dieser Branche arbeiten, auch als Expertinnen angestellt sind. Von 1.729 in dieser Branche tätigen Akademikerinnen im Westen arbeiten 1.472 als Expertinnen und zu Spezialistinnen gibt es keine Daten, weil dort die Fallzahl zu gering ist (siehe 3. Seite der Grafik). Dies ist ein Hinweis auf eine fehlende bzw. gehemmte Aufwärtsmobilität in diesem Bereich.

Branchen im Fokus: Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung

In der Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung verdienen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit oder mit Staatsangehörigkeit der EU-15-Staaten ungefähr gleich viel, andere Staatsangehörigkeiten allerdings verdienen viel weniger. Ein paar Beispiele: Beschäftigte ohne Berufsabschluss aus den Asylherkunftsländern verdienen rund 1.100 € weniger als ihre männlichen Äquivalente aus Deutschland oder der EU-15, allerdings nur im Westen Deutschlands, im Osten sind die Unterschiede geringer, dafür sind die Gehälter aber insgesamt niedriger (1. Seite der Grafik).

Unter Akademiker*innen in Westdeutschland zeigen sich erneut die größten Gehaltsunterschiede: Während in dieser Branche Akademikerinnen aus den Ländern der EU-Osterweiterung (EU-11) im Schnitt 2.800 € verdienen, werden Akademiker aus den EU-15-Staaten mit rund 6.300 € entlohnt (3. Seite der Grafik) – ein Unterschied von rund 3.600 € bzw. 56 %, obwohl beide Gruppen in Vollzeit arbeiten. Dieser Unterschied könnte – zumindest teilweise – darin begründet sein, dass Akademikerinnen aus der EU-11 eine Beschäftigung ausüben, die unterhalb ihrer Qualifikation liegt.

In der Tat zeigt sich, dass Frauen aus der EU-11, die in Westdeutschland als Expert*innen arbeiten und in der Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung arbeiten, im Schnitt 5.300 € verdienen – ein höheres Gehalt als allein der Bildungsabschluss aufzeigt (2.600 €, 4. Seite der Grafik). Nichtsdestotrotz verdienen Experten aus den EU-15-Staaten rund 1.300 € bzw. 21 % mehr als Frauen aus der EU-11. Analog zur Branche „Gesundheit, Erziehung und Lehre“, lässt sich schlussfolgern, dass Frauen, auch wenn sie als Expertinnen in einer bestimmten Branche arbeiten, trotzdem im Schnitt weniger verdienen als Männer. Eine Ausnahme sind Männer aus Asylherkunftsländern, die als Experten arbeiten: Sie erzielen in Westdeutschland die geringsten Gehälter (rund 4.600 €, 4. Seite der Grafik). Ein Blick auf die Fallzahlen zeigt zudem, dass nur ein geringer Anteil der Akademikerinnen aus der EU-11, die in dieser Branche arbeiten, auch entsprechen ihrer Qualifikation angestellt sind. Zwar gibt es rund 5.200 Akademikerinnen, aber nur rund 1.500 Expertinnen. Bei Frauen aus den EU-15-Staaten ist es ähnlich: Es gibt rund 4.000 Akademikerinnen, aber nur rund 2.800 Expertinnen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Qualifikationen von Migrantinnen seltener in einer ihren Qualifikationen entsprechenden Tätigkeit münden, sog. fehlende oder gehemmte Aufwärtsmobilität.

In Ostdeutschland ist die Datenlage schlechter, weswegen diese Daten nicht beschrieben werden können.

Branchen im Fokus: Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit

Insgesamt zeigt sich, dass es nur sehr wenige Daten zu Ostdeutschland und spezifisch zu ostdeutschen Frauen, die in dieser Branche arbeiten, gibt. Daher wird nur auf die Gehaltsunterschiede in Westdeutschland eingegangen.

Der sich bereits abbildende Trend, dass die Gehaltsunterschiede mit höherem Bildungsabschluss größer werden, ist bei dieser Branche besonders evident: Bei Beschäftigten ohne Berufsabschluss liegen zwischen dem niedrigsten (Frauen) und dem höchsten (Männer) Medianentgelt rund 800 € (1. Seite der Grafik), während es bei Beschäftigten mit anerkanntem Berufsabschluss rund 1.200 € sind (2. Seite der Grafik) und bei Akademiker*innen die Lohnlücke sogar auf 2.700 € ansteigt (3. Seite der Grafik).

Besonders auffallend ist, dass, im Gegensatz zu den anderen Branchen, Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in der Branche Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit im Schnitt viel weniger verdienen als Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit – indes nur unter Akademiker*innen (Lohnlücke unter Frauen: 1.100 €; unter Männern: 1.800 €; 3. Seite der Grafik). Unter Frauen verdienen Akademikerinnen aus der EU-11 Staaten 41 % als Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit; unter Männern verdienen Akademiker aus den Asylherkunftsländern 51 % weniger als Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Gehaltslücke, von der Akademiker aus Asylherkunftsländer betroffen sind, ist genauso groß wie die Gehaltslücke für Akademikerinnen aus den Staaten der EU-Osterweiterung.

Ein Blick auf das Anforderungsniveau zeigt, worin die Gehaltsunterschiede zwischen Personen mit und Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit begründet sein könnten: Obwohl die Datengrundlage nach Bildungsniveau gut ist, fehlen bei den höheren Anforderungsniveaus viele Datenpunkte (3. und 4. Seite der Grafik). Daraus ist abzuleiten, dass das Medianeinkommen aufgrund von geringen Fallzahlen nicht berechnet werden konnte. Unter Expert*innen gibt es weder Daten für Frauen aus den EU-11 Staaten noch für Männer aus den Asylherkunftsländern. Die rund 3.700 Akademikerinnen aus den EU-11 Staaten bzw. die rund 3.300 Akademiker aus Asylherkunftsländern im Westen, sind nicht unter den Experten zu finden und nur 650 bzw.  800 arbeiten als Spezialist*innen. Die meisten Beschäftigten in dieser Branche arbeiten also als Fachkräfte oder Helfer*innen; bei vielen bedeutet dies eine Beschäftigung unterhalb ihrer Qualifikation und ist eine Erklärung für die Gehaltsunterschiede nach Bildungsniveau. Nichtsdestotrotz gibt es auch bei gleichem Anforderungsniveau große Gehaltsunterschiede: Zum Beispiel verdienen Männer aus den EU-11 Staaten, die als Experten arbeiten, 40 % weniger als Experten mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Zudem fällt auf, dass in der Branche Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit kaum eingewanderte Frauen als Expert*innen angestellt sind (4. Seite der Grafik). Unter Experten sind auch nur einige Staatsangehörigkeiten vertreten. Die höheren Positionen in dieser Branche sind letztlich vor allem von Männern und von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit besetzt.

Unter Helferinnen in Westdeutschland sind die Gehälter relativ gleichwertig: Hier verdienen Frauen aus den Asylherkunftsländern 300 € weniger als Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit (1. Seite der Grafik). Helfer verdienen nicht wesentlich mehr, außer Helfer mit deutscher Staatsangehörigkeit, die das höchste Gehalt erzielen. Unter Fachkräften sind die Gehälter von Männern und Frauen relativ deckungsgleich, Unterschiede fallen eher im Vergleich zwischen den Staatsangehörigkeiten auf (2. Seite der Grafik). Zum Beispiel verdienen Frauen aus den Asylherkunftsländern, obwohl sie auf dem gleichen Anforderungsniveau in der gleichen Branche angestellt sind, im Schnitt rund 800 € weniger als Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Das gleiche gilt für Männer aus den Asylherkunftsländern.

Branchen im Fokus: Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung

In der Branche Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung scheint der bisherige Trend, dass Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen in Ostdeutschland geringer sind, nicht immer zu gelten: Akademiker verdienen mehr als Akademikerinnen (unter Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit ist das ein Unterschied von 23 %); bei den anderen Qualifikationen scheint es hingegen keine großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu geben. In Westdeutschland sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern allerdings noch größer: Akademiker verdienen rund 2.000 € mehr als Akademikerinnen, ein Trend, der sich durch alle Staatsangehörigkeiten zieht, außer unter Personen aus den Asylherkunftsländern (3. Seite der Grafik). Das Gehalt von Akademiker*innen aus den Asylherkunftsländern ist im Vergleich zu anderen Beschäftigten geringer – sie verdienen nur rund die Hälfte im Vergleich zu Akademikern mit Staatsangehörigkeit der EU-15 Länder bzw. Deutschlands. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei Beschäftigen mit anerkanntem Berufsabschluss (2. Seite der Grafik). Allein unter Beschäftigten ohne Berufsabschluss sind die Gehälter der Männer geringer und passen sich so den Gehältern der Frauen an (1. Seite der Grafik).

In der Analyse der Daten nach Anforderungsniveau zeigt sich ein bereits bekanntes Bild: Die Gehälter von Expert*innen steigen, allerdings sind Frauen aus den Asylherkunftsländern im Westen nicht mehr vertreten, d. h. die Fallzahlen waren zu gering (4. Seite der Grafik). Diese Gruppe ist allerdings unter „Fachkräften“ auffindbar (2. Seite der Grafik); ein Hinweis darauf, dass viele Akademikerinnen aus den Asylherkunftsländern unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt sind und die Aufwärtsmobilität unterbrochen ist.

Es zeigt sich auch, dass die Unterschiede zwischen Akademikern und Akademikerinnen in Ostdeutschland nicht verschwinden, wenn die Gehälter nach Anforderungsniveau betrachtet werden: Trotz gleicher Beschäftigung als Expertinnen verdienen in dieser Branche Frauen weniger als Männer (4. Seite der Grafik).

Die größten Gehaltsunterschiede fallen in der Branche Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung in Westdeutschland und unter Spezialist*innen auf (3. Seite der Grafik). Die Topverdienenden sind hier Spezialist*innen aus den EU-15-Staaten. Am wenigsten und mit großen Abständen zu anderen Beschäftigten verdienen Spezialisten aus den Asylherkunftsstaaten: Sie verdienen im Schnitt rund 3.300 € bzw. 47 % weniger als Spezialisten aus den EU-15-Staaten und 21 % weniger als Spezialistinnen mit deutscher Staatangehörigkeit. Diese Unterschiede sind schwer zu erklären, denn diese Personen arbeiten alle in Vollzeit, in der gleichen Branche und auf dem gleichen Anforderungsniveau. Da sie die gleiche Tätigkeit ausüben, die unter Spezialist*innen entsprechend anspruchsvoll ist, kann nur ein kleiner Anteil des Unterschiedes mit in Deutschland gesammelter Berufserfahrung im Zusammenhang stehen. Ungleiche Chancen und Behandlung auf dem Arbeitsmarkt könnten diese Diskrepanzen eher erklären.

Fazit

Die vorliegende Auswertung hatte das Ziel, Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern und unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten zu analysieren. Es fallen trotz gleichem Bildungsniveau und gleichem Anforderungsniveau der ausgeübten Beschäftigung große Unterschiede auf. Dies betrifft vor allem Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Das Ergebnis deutet auf eine Benachteiligung eingewanderter Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt hin.

Der in der Einleitung bereits erwähnte Report der Internationalen Arbeitsorganisation deckt sich mit den hier aufgezeigten Trends. Der Report ist die bis dato umfassendste Studie zum Migrant-Pay-Gap und zum Migrant-Gender-Pay-Gap. Gehaltsdaten aus 49 Ländern wurden in zwei Gruppen unterteilt: Länder mit hohen Einkommen (z. B. EU-Staaten, USA, UK) und Länder mit mittleren bis niedrigen Einkommen (z. B. Rumänien, Mexico, Nepal). In Ländern mit hohen Einkommen, also Ländern, die vergleichbar mit Deutschland sind, verdienen Eingewanderte rund 12,6 % weniger als Personen mit der Staatsangehörigkeit des jeweiligen Landes. Eingewanderte Frauen werden doppelt benachteiligt: Sie verdienen als Frauen weniger als Männer und als eingewanderte Frauen weniger als nichteingewanderte Männer (20,9 % weniger). Zudem zeigt sich auch, dass Eingewanderte trotz gleichem Bildungsniveau weniger verdienen als Nichteingewanderte und dass sie öfter in Jobs arbeiten, die nicht ihren Qualifikationen entsprechen, die Aufwärtsmobilität somit nicht ermöglicht bzw. gehemmt ist. In Ländern mit hohem Einkommen ist es genau andersherum: Dort verdienen Eingewanderte 17,3 % mehr als Nichteingewanderte; dies sind vorwiegend hochqualifizierte Arbeitskräfte, die nur temporär im Ausland arbeiten.

Die Autor*innen berechneten auch, welcher Anteil der Gehaltsunterschiede auf „quantifizierbare“ Faktoren wie Bildungsniveau, Arbeitserfahrung, Alter und Arbeitsort zurückgeführt werden kann und welcher Anteil auf „nicht-quantifizierbare“ Faktoren zurückgeführt werden kann. Von den 12,6 % Gehaltsunterschied konnten nur rund 2 Prozentpunkte auf quantifizierbare Faktoren zurückgeführt werden, die übrigen 10 Prozentpunkte ließen sich nicht durch Unterschiede im Lebenslauf erklären. Die Autor*innen schließen daraus, dass die Lohnlücke größtenteils mit der strukturellen Diskriminierung von Eingewanderten auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu erklären ist. Auch in den hier ausgewerteten Daten finden sich Hinweise auf Diskriminierung von Eingewanderten, besonders von Frauen. Werden Anforderungsniveau, Arbeitsort und Branche kontrolliert (also gleich gehalten), verdienen zugewanderte Frauen trotzdem weniger als nichteingewanderte Männer.

Maßnahmen, um die Lohnlücke zwischen Eingewanderten und Nichteingewanderten zu schließen, sollten nicht nur ergriffen werden, um mehr Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, sondern auch, weil die Lohnlücke in der Vergangenheit von Jahr zu Jahr größer geworden ist (Ingwersen & Thomsen 2019; ILO 2020). Die hier ausgewerteten Daten zeigen, dass viele Eingewanderte eine Tätigkeit ausüben, die nicht ihren Qualifikationen entspricht. Die Möglichkeiten, ausländische Abschlüsse in Deutschland anerkennen zu lassen, sollten bekannter gemacht werden, damit mehr Eingewanderte diese kennen und nutzen; Möglichkeiten und strukturelle Förderung der Aufwärtsmobilität sollten weiter geschaffen und weiter sowie stärker ausgebaut werden. An diesem Punkt setzt u. a. das vom BMAS geförderte IQ Programm an.

Dass Zugewanderte im Schnitt weniger verdienen, hängt aber nicht allein damit zusammen, dass sie einen Beruf ausüben, der ihren Qualifikationen nicht entspricht, denn auch in Berufen mit den höchsten Anforderungsniveaus, also solchen, die eine entsprechende akademische Ausbildung voraussetzen, verdienen Eingewanderte weniger als deutsche Staatsangehörige. Dies betrifft vor allem eingewanderte Frauen, die von intersektionaler Diskriminierung betroffen sind. Um diese Gehaltslücken zu schließen, ist ein gendersensibler Ansatz nötig, der die strukturelle Benachteiligung von Eingewanderten auf dem Arbeitsmarkt anerkennt und darauf abzielt, Eingewanderte mit ihren individuellen Kompetenzen und Qualifikationen wahrzunehmen und entsprechend zu beschäftigen. Nur so kann eine gute, nachhaltige und auf Dauer gerichtete Fachkräftesicherung für die Zukunft gelingen.

Quellen:

Aldashev, A. / Gernandt, J. / Thomsen, S. L., 2008: The Immigrant Wage Gap in Germany. ZEW Discussion Paper No. 08-089. ftp://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp08089.pdf (30.03.2022).

[BA] Bundesagentur für Arbeit, 2010: Klassifikation der Berufe 2010. Bd. 1: Systematischer und alphabetischer Teil mit Erläuterungen. www.arbeitsagentur.de/datei/Klassifikation-der-Berufe_ba017989.pdf (30.03.2022).

[BA] Bundesagentur für Arbeit, 2022: Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit. Durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt von sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten der Kerngruppe mit Angaben zum Entgelt nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten und Berufsabschluss bzw. Anforderungsniveau. Stichtag: 31.12.2020.

[bpb] Bundeszentrale für politische Bildung, 2021: Datenreport 2021. Einkommensunterschiede bei Personen mit Migrationshintergrund. https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/datenreport-2021/private-haushalte-einkommen-und-konsum/329950/einkommensunterschiede-bei-personen-mit-migrationshintergrund/ (30.03.2022).

[ILO] International Labour Organization, 2020: The migrant pay gap: Unterstanding wage differences between migrants and nationals. https://www.ilo.org/global/topics/labour-migration/publications/WCMS_763803/lang–de/index.htm (30.03.2022).

Ingwersen, K. / Thomsen, S. L., 2019: The Immigrant-Native Wage Gap in Germany revisited. SOEPpapers on Multidisciplinary Panel Data Research, No. 1042.

Statistisches Bundesamt, 2022: Gender Pay Gap 2021: Frauen verdienen pro Stunde weiterhin 18 % weniger als Männer. Pressemitteilung Nr. 088 vom 7. März 2022. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/03/PD22_088_621.html (11.04.2022).

Kontakt:

Fachstelle Einwanderung und Integration
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Diese Publikation wurde von der Fachstelle Einwanderung veröffentlicht.

Das Projekt wird im Rahmen des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ gefördert.