Das jüdische Viertel von Damaskus
Zwischen Verfall und Gentrifizierung
Die Installation ist Teil der Ausstellung „Syrien – Gegen das Vergessen“, kuratiert von Jabbar Abdullah, gestaltet von Marie-Helen Scheid, 10. Juni bis 11. September 2022 im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln.
Kontakt:
Tanja Lenuweit
t.lenuweit@minor-kontor.de
Konzept:
Tanja Lenuweit, Sigrun Drapatz, 2022
Ausstellungstexte:
Tanja Lenuweit
Fotos und Filmmaterial Damaskus:
Rania Kataf, 2019-2022
Video-Editing:
Sigrun Drapatz
Schnitt:
Natasha Todd
alle Videos © Minor
Die Installation besteht aus einer großgezogenen handgezeichneten Karte des Jüdischen Viertels von Damaskus, die verändert wurde, und in die vier Monitore und Fotos mit Beschriftungen eingefügt sind. Links von der Karte ist ein Bild der unveränderten Karte und eine Erläuterung, rechts ist ein Monitor mit Ausschnitten aus Interviews mit zwei syrischen Juden, die nach Israel emigriert sind.
Die eigentliche Karte wurde der Beschriftung zufolge von Joseph Elia nach seiner Emigration aus Syrien aus dem Gedächtnis gezeichnet. Die Karte wurde für die Ausstellung großgezogen und erscheint dadurch unscharf – das entspricht ihrer Geschichte: Sie ist ein Fundstück aus dem Internet. Biografische Daten zu Joseph Elia, das Entstehungsjahr der Karte und ihr genauer Hintergrund sind unklar. Joseph Elia markierte in der Karte die jüdischen Orte, an die er sich erinnerte. Die Karte wurde von uns um heutige (nichtjüdische) Orte, wie das Café al-Qischla, ergänzt.
Die Filme bestehen aus Sequenzen, die im Dezember 2021/Januar 2022 im Auftrag des Projekts von Rania Kataf mit der Handykamera im Jüdischen Viertel von Damaskus aufgenommen wurden. Sie bestehen aus einzelnen Sequenzen, die von uns editiert und zu Spaziergängen zusammengestellt wurden. Teilweise ist das bruchstückhafte Filmmaterial durch Fotoaufnahmen, die in das Filmmaterial integriert wurden, ergänzt. Alle Fotos wurden bereits 2019/20 von Rania Kataf für die Ausstellung „Tür an Tür“ aufgenommen.
In den Interviewausschnitten erinnern sich Haim Daye und Ibrahim Hassoun an ihr Leben in Syrien. Die Interviews sind lebendig und geben einen Eindruck, was ihnen das Leben in Aleppo und Damaskus bedeutet hat. Gleichzeitig werden Repressionen und Einschränkungen deutlich, mit denen Jüdinnen*Juden in Syrien umgehen mussten und die letztlich bei beiden Interviewten zur Flucht aus Syrien führten.
In Memoriam: Die Beschriftung der Karte ist doppeldeutig: Sie bedeutet Gedenken und Erinnerung zugleich. Der Verfasser zeichnete aus seiner Erinnerung. Der Plan ist erstaunlich nahe an der heutigen Geografie des Jüdischen Viertels. Allein die eingezeichneten jüdischen Orte, an die er sich erinnert, sind nahezu alle keine jüdischen Orte mehr – es fehlen die jüdischen Menschen, die das Jüdische Viertel zu einem jüdischen machen.
Der Film zeigt einen Spaziergang durch das Jüdische Viertel zum gut besuchten Café Qischla.
Das Straßenbild ist typisch: Zur Straße hingewandt wirken die Häuser unscheinbar, sie lassen von außen nicht erkennen, was sich in den oftmals großzügigen Innenhöfen verbirgt.
Das Café Qischla wurde 2021 eröffnet, die Besitzer sind Syrer, die heute in den USA leben.
Maktab Anbar ist eines der größten Häuser in der historischen Altstadt. Erbaut wurde es im späten 19. Jahrhundert in der typischen Hofarchitektur für den jüdische Kaufmann Yousef Anbar. Dieser konnte die hohen Baukosten nicht bezahlen, sodass die Bauarbeiten 1887 eingestellt wurden. 1890 beschlagnahmte die Regierung das Gebäude aufgrund von Anbars Steuerschulden, ließ das Gebäude fertig stellen und in eine Schule umwandeln. Später wurde das Gebäude aufgegeben und verfiel zusehends. Das Ministerium für Kultur erwarb das Haus 1976, um es auf der Grundlage von Forschungen und historischen Dokumenten so authentisch wie möglich zu restaurieren. Maktab Anbar ist heute ein Kulturzentrum mit Ausstellungssaal, Bibliothek und Werkstätten.
Der Schamaaya-Palast wurde 1865 für die jüdische Familie Schamaaya erbaut – ein prächtiger Wohnhauskomplex mit drei Innenhöfen, einem Brunnen und einer Privatsynagoge. Es gab Bereiche, in denen Gäste empfangen wurden und Bereiche, die nur der Familie zugänglich waren. Von der Straße aus ist der Schamaaya-Palast nicht zu sehen, der Zugang erfolgt durch eine schmale Gasse.
Die Besitzer verließen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Syrien. Das Gebäude wurde vom Staat konfisziert und ab den 1950er Jahren als Unterkunft für palästinensische Flüchtlingsfamilien genutzt. Dafür wurden die Wohnräume des Schamaaya-Palasts unterteilt und zusätzlich Gebäude hochgezogen. Vom ursprünglich großzügigen Innenhof blieb nicht viel übrig. Auch der Brunnen musste einem Anbau weichen.
Der syrische Schriftsteller Ali Al-Kurdi war Kind einer palästinensischen Familie, die ein Zimmer im Schamaaya-Palast bezog. In seinem gleichnamigen Buch beschreibt er den Palast und das Leben dort.
Die Bausubstanz der Anbauten ist schlecht und der gesamte Gebäudekomplex deutlich von Verfall bedroht. Trotz des schlechten Zustandes ist der Schamaaya-Palast bis heute dicht bewohnt. Die ursprüngliche Pracht lässt sich immer noch an einzelnen Elementen und Fassadenteilen erkennen. Der untere Teil der historischen Fassaden ist in der für Damaskus typischen Ablaq-Technik gemauert, eine Technik, die zwei oder drei Steinfarben verwendet und mit einer besonderen Intarsientechnik aus farbigem Lehm ergänzt ist.
Die al-Frendsch Synagoge im Jüdischen Viertel ist die einzige Synagoge in Damaskus, die zum Zeitpunkt der Aufnahmen von den wenigen noch in Damaskus lebenden Jüdinnen*Juden als Synagoge genutzt wurde. Sie ist mittelalterlichen Ursprungs und gilt als die erste Synagoge, die innerhalb der Stadtmauern von Damaskus gebaut wurde. Gegenwärtig wird die Synagoge renoviert.
Die al-Menarscha Synagoge wurde in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erbaut. Sie ist zwar intakt, aber nicht mehr als Synagoge in Betrieb. Sie wird seit einigen Jahren gründlich gereinigt und renoviert.
Die al-Frendsch Synagoge im Jüdischen Viertel ist die einzige Synagoge in Damaskus, die zum Zeitpunkt der Aufnahmen von den wenigen noch in Damaskus lebenden Jüdinnen*Juden als Synagoge genutzt wurde. Sie ist mittelalterlichen Ursprungs und gilt als die erste Synagoge, die innerhalb der Stadtmauern von Damaskus gebaut wurde. Gegenwärtig wird die Synagoge renoviert.
Die al-Menarscha Synagoge wurde in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erbaut. Sie ist zwar intakt, aber nicht mehr als Synagoge in Betrieb. Sie wird seit einigen Jahren gründlich gereinigt und renoviert.
Traurige Berühmtheit erlangte die al-Menarscha Synagoge auf Grund eines Anschlags, der am 5. August 1949 verübt wurde. Dabei wurden zwölf Menschen getötet, acht davon waren Kinder.
Ibrahim Hassoun
Haim Daye
Die Installation ist Teil des Projekts Der Gang der Geschichte(n).
Das Projekt wurde unter der Schirmherrschaft von Außenminister Heiko Maas entwickelt.
Das Projekt wird gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Auswärtigen Amt.
„Syrien – Gegen das Vergessen“ ist eine Ausstellung von 17_3_17, Verein der Förderer des Austauschs deutscher und syrischer Kultur e. V., kuratiert von Jabbar Abdullah.
Die Ausstellungsbeteiligung wird gefördert von der Szloma-Albam-Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung.