Wenn es um Menschen mit Fluchthintergrund aus arabischsprachigen Herkunftsländern geht, ist in aktuellen Debatten immer wieder die Rede von einem mitgebrachten Antisemitismus oder einem spezifischen „muslimischen Antisemitismus“. Dieser pauschalisierenden Unterstellung liegt die Annahme zugrunde, Menschen aus Ländern wie bspw. Syrien oder Iran, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit Teil staatlicher Narrative, Rhetoriken und Politiken sind, seien zwangsläufig antisemitisch indoktriniert.
Außer Acht gelassen wird dabei, dass viele Menschen mit Fluchtgeschichte in Opposition zum herrschenden System ihres Herkunftslandes stehen und/oder einer verfolgten Minderheit angehören und von daher auch in Opposition zu staatlichen Strategien und Erzählungen sind, diese in Frage stellen oder zumindest eine gewisse Bereitschaft zu einer kritischen Auseinandersetzung mitbringen.
Zudem existieren selbst in Ländern mit autoritären Regimen Gegenöffentlichkeiten und Gegendiskurse, die offiziellen staatlichen Rhetoriken und Erzählungen entgegenstehen. Die meisten der arabischsprachigen Länder weisen eine lange jüdische Geschichte und eine Zeit des muslimisch-jüdischen Zusammenlebens auf, die zumindest in Teilen positiv besetzt sind, zum kollektiven Gedächtnis gehören und teilweise sogar noch in Familiengedächtnissen abrufbar sind.